Mein Psalmenbuch

Zum Thema: "Rachepsalmen ?"

Obwohl die Psalmen allgemein großes Ansehen genießen, distanzieren sich viele von den sogenannten "Rachepsalmen".

Doch bin ich der Meinung, daß es rein äußerlich schon gar keine "Rachepsalmen" gibt (die ausschließlich das Thema "Rache" zum Inhalt haben!) - wohl aber gibt es Bitten, die Gott aufrufen als "Rächer" zu handeln gegen seine Feinde. - Das Alte Testament ist voll von Berichten, wo Gott seinem Volk zur Hilfe kommt und die Feinde vernichtet (Beispiel: Pharao und seine Krieger am Roten Meer).

Allerdings stellt sich dann gleich für uns Christen die Frage, ob wir solche Bitten beten können, oder aber ob sie dem "Geist Jesu" widersprechen.
Im Lukas-Evangelium (Kapitel 9,51-55) wird uns von einem Begebnis berichtet, wo die Jünger Jesu fragen, ob sie denn bitten sollten, daß über die Samariter, die Jesus ablehnten, Feuer vom Himmel erbitten sollten, das jene vernichte. - Jesus wehrt ihnen. Es heißt: "er wies sie zurecht".
In einer späteren Übersetzung (in der neuen Luther-Übersetzung als Anmerkung!) heißt es: "(Jesus) sprach: Wißt ihr nicht, welches Geistes Kinder ihr seiid? Der Menschensohn ist nicht gekommen, das Leben der Menschen zu vernichten, sondern zu erhalten.").

Die Psalmen sind in einer Zeit entstanden, wo die Armen und Elenden, die Witwen und die Waisen keinen anderen Helfer fanden als Gott. Und so erging es auch oft dem Volk Gottes: Nur ER, Gott, konnte den Feiden begegnen und sie bestrafen.

So berichtet uns das Alte Testament von vielen Ereignissen und Äußerungen von Menschen, die wir so nicht mehr in unser Leben, Glauben und Denken übernehmen können. Mit Jesus ist eine neue Zeit angebrochen; er hat die Schriften "erfüllt". Nun gilt sein NEUES GEBOT: Gott lieben und seinen Nächsten! zu halten. Diese Liebe schließt auch die Feinde mit ein - nicht aber ihre Absichten und ihre Taten. Deshalb beten Christen: "Erlöse uns von dem Bösen" (und lassen Gott den Weg offen, wie er das tut!).

Nur am Rande sei darauf hingewiesen, daß auch Jesus von der endlichen Gerichtsstrafe durch Gott redet, wenn er sagt, daß im letzten Gericht Gottes für die Gottlosen nur "Zähneklappern und Heulen" sein wird: Matth. 8,12 / 13,42.50; 22,13; 24,51; 25,30; und Lukas 13,28. - Und im Sendungsauftrag Jesu (nach Markus 16,16) heißt es: "Wer da glaubt und getauft wird, der wird selig werden; wer aber nicht glaubt, der wird verdammt werden.".

So sollten wir das Reden von "Rachepsalmen" unterlassen und eher von "Vergeltungsbitten in den Psalmen" reden!

Zitat:
"... So stehen manchmal die gleichen Dichter, die vor Jahwe ihre Sünde bekennen, doch in scharfer Abwehr gegen die Anklagen ihrer Gegner. Das kann man z.B. an Ps.143 ablesen. Übrigens kann man hieraus auch die sog. Rachepsalmen zu verstehen suchen, z.B. Ps.55. Sie sind durchweg in der Situation des Verklagten gesprochen und gehen - wie ein vor Gericht gestellter Antrag auf ein Urteill - darauf hinaus, daß Jahwe durch öffentliche Brandmarkung der ungerechten Verkläger den Angeklagten rechtfertige. Das ist gewiß nicht neutestamentlich: Jesus erleidet den Tod, indem er für seine Peiniger betet (Lukas 23,34), und er weist seine nach einer öffentlichen Rechtfertigung dürstenden Jünger zurecht: 'Wisset ihr nicht, wes Geistes Kinder ihr seid?' (Luk. 9,55).
Aber bedenken wir: Jesus ist das fleischgewordene Ja Gottes zum Menschen, und neben ihm soll der Christ kein anderes Ja Gottes begehren; im Alten Bund aber ist dieses endgültige, ein für allemal gesprochene Ja noch nicht öffentlich ergangen, darum begehren die Frommen nach einer persönlichen und öffentlichen Rechtfertigung." (Otto Weber, Grundriß der Bibelkunde - Seite 70)


Beispiel für einen Bittpsalm zur Vergeltung
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